Hobby Hermetik?

In dem kleinen Büchlein „Dr. Lumir Bardon / Dr. M.K. – Erinnerungen an Franz Bardon“ (Rüggeberg-Verlag) schreibt der Meister-Schüler von Franz Bardon, Dr. M.K. (Milan Kumar), in seinem Aufsatz „Anmerkungen zur Hermetik“ (S. 31):

 

„Hermetik ist ein Hobby. Es dient dazu, vollkommener zu werden. Nicht mehr und nicht weniger. Da es ein Hobby ist, also keine Pflicht oder Notwendigkeit, sollte man sich auch an der Beschäftigung mit dem Hobby freuen, wenn möglich richtig Spaß daran haben. Wer sein Hobby liebt, wird ihm jede freie Minute opfern, wird sich soviel Zeit wie möglich reservieren, um sich damit zu befassen. Zur Hermetik ist allerdings unheimlich viel Geduld nötig, die aber mit Begeisterung und Neugierde für die Übungen verwirklicht werden muss, wobei man nie den Mut verlieren sollte.“

 

Der erste Satz, die Aussage, dass Hermetik ein „Hobby“ sei, führt immer wieder zu Missverständnissen unter den jungen Schülern auf dem Weg zum wahren Adepten. Um aber zu verstehen, was Dr. M.K. mit seiner Feststellung meint, ist es notwendig, sich diesen Satz in seinem Zusammenhang anzuschauen.

 

(Vorneweg sei hier noch erwähnt, dass m.E. schon diese kurze Passage deutlich den Praktiker sprechen lässt, der den Weg wirklich gegangen ist.)

Die Kritik, die oftmals erscheint bezieht sich darauf, dass die spirituelle Suche nach Vollkommenheit doch etwas anderes sei, als ein gewöhnliches Hobby, wie ein schöner Wagen, Golf zu spielen oder ähnliche Freizeitaktivitäten. Das stimmt!

Dr. Kumar´s Kernaussage bezieht sich aber nicht auf die „spirituelle Bedeutung“ der hermetischen Übungen, sondern auf den *Spaß*, den der Schüler haben soll; weswegen er auch die Hermetik mit einem Hobby vergleicht – ein Hobby ist immer etwas, was einem Menschen Spaß macht, an dem er eine tiefere innere Freude verspürt – eine Tätigkeit also dem er seine Zeit *gerne* widmet, dem er mit Freuden jede freie Minute zuwendet. Die innere Einstellung des Schülers zu seiner eigenen Vervollkommnung ist das Thema, auf das Dr. M.K. aufmerksam machen möchte. Bardons Schüler tätigt somit keine Aussage über die spirituelle Bedeutung, welche die Hermetik für den Schüler hat; in diesem Zusammenhang die Übungen mit einem Hobby zu vergleichen würde einer Profanation schon recht nahe kommen. Stattdessen überlässt er dieses Urteil jedem Einzelnen selbst. Andererseits sollte der Schüler der Hermetik MINDESTENS den Stellenwert eines Hobby zumessen –wie will er sonst jemals Erfolg haben?

Es findet sich folglich durchaus ein Zusammenhang zwischen „Hobby“ und „spiritueller Suche“, denn die Bedeutung oder den Stellenwert, den ein Hermetiker seiner eigenen magischen Praxis zuweist, hat folgerichtig sehr viel mit seiner Einstellung den Übungen gegenüber zu tun. Es geht Dr. M.K. also um die Einstellung, die ein Schüler der Hermetik seinen Übungen gegenüber mit- und aufbringen sollte. Wer morgens stöhnend aufwacht, und sich zu seinen täglichen Übungen zwingen muss; wer glaubt überhaupt üben zu MÜSSEN, vielleicht um irgendein weit entferntes magisches Ziel zu erreichen – der wird nicht weit kommen. Dr. Kumar schreibt zu Recht, dass die Selbstverbesserung etwas ist, was Freude bereiten sollte. Dann wird man auch nicht den Mut verlieren.

Jeder Schüler sollte sich daher immer wieder fragen, warum er den Weg überhaupt gehen möchte. Will er wirklich, wirklich, wirklich Magier sein? Wenn ja, warum: was sind seine Ziele? Was erhofft er sich von den Übungen, von dem Seelen-Striptease, von den stundenlangen Meditationen? Was ist sein Ziel? Was ist er bereit, für sein Ziel zu tun? Und was wird er machen, wenn er dann tatsächlich an seinem Ziel angekommen ist? Es lohnt sich diese Fragen zu stellen und sie ggf. sogar schriftlich zu beantworten.

Denn hier findet sich eines der größten Geheimnisse, um den Weg zum wahren Adepten auch erfolgreich zu beschreiten: der Weg will um des Weges willen gegangen werden! Nicht magische Macht soll das Ziel sein, denn ins besonders die vielen kleinen Effekte, die Bardon in den einzelnen Stufen beschreibt werden (aus Erfahrung) niemanden so lange motivieren, bis er sie bewerkstelligt – sondern ganz allein der tiefe Wunsch danach *besser* zu werden, sein volles Potential auszuschöpfen, trägt den Schüler auf dem Weg zum wahren Magier immer weiter. Wenn er sich an den kleinen Dingen erfreuen kann, an dem größer werdenden Bewußtsein um die eigenen Gedanken und Wünsche, an der besseren Selbstbeherrschung, an der Möglichkeit sich selbst besser im Griff zu haben, dann wird er tatsächlich soweit kommen auch Gedanken zu lesen, Hitze und Kälte zu erzeugen – und wird sich fragen: wozu? Denn bis dahin erreicht er alles, was er sich wünscht aus eigener Kraft. Daher kann auch der Titel „Der WEG zum wahren Adepten“ wirklich Aussage-kräftiger sein, als vielen bewusst ist.

So ein Schüler, der sich seiner Wünsche voll bewusst ist, wird jeden Morgen freudig aufwachen und sich voller Tatendrang in die Übung begeben. Mit Freude bewältigt er die Übungen und im Anschluß widmet er sich seinen täglichen Pflichten. Emil Stejnar nennt es analog zum Muskeltraining ein „Geistmuskel-Training“ – und wie beim Muskelaufbau im Fitness-Center stellen sich die sichtbaren Erfolge bald darauf ein. Ebenso Dr. Kumar:

 

„Ja, man kann den Weg zur Vollkommenheit in Analogie zu einem Sportler sehen, der z:b. für den Sieg im Weitsprung trainiert, sich darauf vorbereitet, seine Ernährung danach einrichtet, und sich über jeden Zentimeter freut, den es ihm gelingt, weiterzuspringen.“

 

Der Magier wird also ebenso freudig seine Prioritäten im täglichen Leben so setzen, dass ihm genug Zeit am Tag da ist, um seinen Übungen nachzugehen, denn er will ja üben. Wer sich also über seine Motivation und seinen Willen klar ist, wird nicht mehr darüber klagen, dass er keine Zeit habe oder die Übungen vernachlässigt…

Wer aber noch nach Dingen zum Angeben, Lichteffekten und ähnlichem strebt, der ist im Fitness-Studio oder im Kino wahrlich besser aufgehoben, als bei der Hermetik.

 

„Nun, darum ist es eben ein Hobby, um die Zeit sinnvoller zu verbringen, anstatt ohne Ende auf einen Fernsehapparat zu starren und alle Gewohnheiten dem Programm unterzuordnen“.