Der Adept in der Hermetik – erste Gedanken

Das Thema „Adeptschaft“ wird immer wieder in hermetisch-magischen Kreisen leidenschaftlich diskutiert. Doch scheint keiner der Teilnehmer so recht zu wissen, was das genau bedeuten soll – stattdessen ranken sich die wildesten Gerüchte darum, was ein „Adept“ nun können, machen oder wie er in der Öffentlichekeit erscheinen sollte. Gerade in der Gemeinde derjenigen, die ihre hermetische Entwicklung nach Bardons Lehrsystem praktizieren, haben sich so manche wilden Ansichten über den „Adepten“ breit gemacht. Zumeist beruhen diese auf romantischen Magier-Ideen, die entweder einem Fantasyroman entsprungen zu sein scheinen, oder direkt aus den scheinheiligsten Höhen theosophischer Verbrämung entstammen. Daher führen diese, aus den eigenen unreifen Ideen geborenen Bilder leider immer wieder zu einem Personenkult und somit weg von der eigenen Entwicklung.

 

Dabei gibt es in der immerhin fast 5000-jährigen Geschichte der Hermetik klare Definitionen dessen, was Adeptschaft bedeutet. Vor allem in der Neuzeit: so war im Rosenkreutzertum der Frühen Neuzeit ein Adept jemand, der den „Stein der Weisen“ hergestellt und somit Zugriff zu als „göttlich“ verstandenen Kräften erworben hatte – bildlich ausgedrückt durch die Fähigkeit, Blei in Gold zu verwandeln und unsterblich zu werden – schlussendlich die Verwandlung von Blei in Gold auf körperlicher Ebene. Im „Hermetic Order of the Golden Dawn“ war ein Adept jemand, der kabbalistisch gesehen über den Pfad des Hohepriesters wandelte, den ersten Schleier Paroketh durchdringen konnte und im Sonnenbewusstsein (Tiphareth) stand.

In meinem Schulungssystem von Franz Bardon „Der Weg zum wahren Adepten“, gilt als der Adept schlussendlich derjenige, der sich durch die systematische Schulung seiner körperlichen, seelischen und geistigen Fähigkeiten einen so hohen Grad an Bewusstheit erarbeitet hat, dass er den Kontakt zu seinem eigenen göttlichen SELBST herstellen kann. Der Magier muss dabei nicht äußere Riten erfüllen, nicht durch sogenannte Initiationen fremde Symbole in seinem Unterbewussten verankert bekommen; stattdessen erarbeitet er sich durch stetige Selbst-Erkenntnis immer höhere Bewusstseinszustände. Über die Erkenntnis der eigenen Gedanken und Eigenschaften, beginnt er seine latent vorhandenen Fähigkeiten gezielt zu schulen und zu energetisieren. Durch die wachsende Macht über sich, seinen Geist und seine Seele entwickelt der Magier eine zunehmende Unabhängigkeit von externen Einflüssen. Je unabhängiger er wird, umso mehr vermag er seinen Willen auch auf seine Umgebung zu projizieren. Auch die Reichweite seiner Sinne vergrößert sich, so dass die Sphären für ihn erreichbar werden. Alles ohne „Initiation“ durch externe Magier. Den Weg zur Adeptschaft muss jeder für sich beschreiten, eine Gruppe kann immer nur Wegbegleiter sein und niemals Wegbereiter. Schlussendlich erweitert der Bardonist sein Bewusstsein so sehr, dass er Kontakt zur Gottheit aufnehmen kann, seinem eigenen göttlichen Anteil gegenüber steht. Dann ist er Adept geworden und die Sphären stehen ihm offen. Sein Wort kann Schöpfung werden: „Wie oben, so unten!“

 

In allen Traditionen hat Adeptschaft folglich etwas mit der innere Entwicklung des Magiers zu tun.

 

Leider werden diese grundsätzlichen Erkenntniszeichen der inneren Entwicklung zu oft überschattet von dem Bedürfnis vieler Schüler nach der Aneignung von magischen Kräften oder der Forderung an den Adepten, die selbigen zu beweisen, sich also zu legitimieren. Dabei geht der Schüler zumeist von seinen eigenen Erwartungen aus und weniger von dem, was die Magie ihm wirklich zu geben vermag. Echte Wunder werden dabei noch abgetan, so sie nicht in die Vorstellungswelt des Schülers passen – eine Entwicklung im Verhältnis zwischen Meister und Schüler die v.a. durch die Theosophie unter Blavatsky hervorgerufen wurde, deren „Adepten“ als mythische Wesenheiten im Himalaya präsentiert wurden. Diese Einstellung findet sich gerne auch bei modernen Guru-Suchern wieder. (Als negativstes Beispiel ist in den letzten Jahren im Bereich der Bardon-Schüler der „Hermetische Bund“ auf den Plan getreten, deren Bild von Franz Bardon sehr stark einen strafenden Gott wiederspiegelt – aber das wäre Stoff für einen weiteren Blogpost…) Weigert sich der vermeintliche Adept, die Wünsche seines Gegenübers zu erfüllen oder ist nicht dazu in der Lage, die willkürlichen und zumeist aus unreifen Phantasien geborenen Ansprüche seiner Gesprächspartner zu erfüllen, werden schnell Vorwürfe des Betrugs oder der Scharlatanerie laut. Wundert es noch, dass die vierte Säule des salomonischen Tempels „Schweigen“ heißt?

 

Erkenntnis ist nicht übertragbar, sondern nur zu erleben!

 

Für uns Praktiker auf dem hermetischen Weg steht der Adept in erster Linie dafür, den bewussten Kontakt zum eigenen göttlichen (oder dämonischen – nach Sokrates) Selbst herstellen zu können. Dafür ist die Kenntnis und Beherrschung der niederen Regionen vom materiellen und astralen Körper notwendig, in der Kabbalah repräsentiert durch die Sephiroth Malkuth und in Folge Yesod, Hod und Netzach. Erst wenn die Zwänge der materiellen Welt, die Triebe, Leidenschaften und vermeintliche Gedanken den Magier nicht mehr in den Griff bekommen können, wenn der Geist ruhig und frei ist, kann der Schleier durchdrungen werden. Dies geschieht durch das Sterben und Wiedergeboren werden – Christus am Kreuz, der nicht leidet, sondern schwebend die Unsterblichkeit verkündet – eine Erfahrung, die durchaus in den Alltag eingebunden werden kann. Sie tritt auf den Schüler zu, so er bereit ist… man „wird gestorben“. Das kann sich z.B. durch Schicksalsschläge, etc. offenbaren. (Nur bitte nicht danach rückwirkend suchen – für gewöhnlich wird sehr schnell klar, worum es sich handelt. Und nicht jeder Schicksalsschlag ist eine Initiation…) Daher gab und gibt es initiatorische Gemeinschaften, die dem Magier optimalerweise helfen, bewusst in einen solchen Zustand zu kommen. Diese magischen Logen führen den fortgeschrittenen Schüler durch derartige Initiationserlebnisse… Es ist das eigene Bewusstsein, das unsterblich wird und geerdet in Malkuth und zentriert in Tiphareth den Weg in die höheren Regionen der Himmel und die tiefen Abgründe der Hölle sucht. Um schließlich festzustellen – es ist alles EINS! Es ist die Position des Meisters, auch des Meisters über die eigene Individualität, über das helle und das dunkle Licht!

Wenn nach magischen Kräften gesucht wird, so wird der Schüler meist nicht lange genug durchhalten, denn diese kommen von ganz alleine, zumeist aber erst, wenn dem Schüler klargeworden ist, dass sie ultimativ unwichtig sind – denn für den Adepten passiert eh alles so, wie es sein soll!

 

Adeptschaft ist also kein weites Ziel, entfernt und erhaben in den höchsten Höhen kitschiger Wundergläubigkeit voller Aureolen und magischer Macht, sondern die natürliche Folge gezielter magischer Arbeit und konsequenter Integration in das eigene Leben! Man muss es nur TUN!

 

Viel Erfolg!